Neue Markenidentitäten: Vom »Ich« zum »Wir« durch KI
Wandel in der Markenbildung
Markenidentität und generative KI.
Die Herausforderungen beim Aufbau zukunftsbeständiger Marken.
BLOG / MÄRZ 2024 / NR.1 / MARKE+KOMMUNIKATION
SMD-Redaktion
Von individueller Ansprache zu Überpersonalisierung. Vom »MeMarketing« und einer neuen Sehnsucht nach dem »WeMarketing«.
In einer Zeit, in der jeder sein eigener DJ ist, seine eigene News-Redaktion leitet und zum Kurator seiner virtuellen Galerien geworden ist, wirkt die Idee eines »einheitlichen Massenmarktes« etwa so zeitgemäß wie ein Diskettenlaufwerk. Willkommen also in der Realität der Markenbildung – einem wilden, fragmentierten Rummel, der durch eine unglaublich schnelle Entwicklung in der Medienlandschaft und einer personalisierten Kommunikation bewegt und angetrieben wird.
Noch mal ein kurzer Blick zurück: Hier war es so, dass die Markenkommunikation einer quasi »königlichen« Ansprache glich und das, wir nennen es mal »Broadcast-Marketing«, nutzte. Hier wurden allgemeine, meist einheitliche Marketingbotschaften breit gestreut (»ausgestrahlt«), mit dem Ziel, das größtmögliche Publikum zu erreichen.
F A C T S
↗ Die Kommunikation war …
überwiegend Einweg, heißt, die Marke spricht und die Konsumenten hören zu. Es gibt wenig bis gar keine Interaktion zwischen Marke und Konsumenten.
↗ Ziele …
Weitreichende Markenbekanntheit und -wiedererkennung, oftmals unter Vernachlässigung tieferer Engagement- oder Personalisierungsstrategien.
↗ Was wirklich gut war …
ein einheitlicher Markenauftritt ließ sich gut steuern. Eine überschaubare Anahl an Kanälen, befeuert mit einer vereinheitlichten Botschaft,
ermöglichte bei den Zielgruppen einen klares Markenbild und Produktangebot. »Hast du die Werbung schon gesehen«?
↗ Was wirklich schlecht war …
teure Streuverluste und die Messung von Erfolg bzw. von Schwachstellen und eine zielgerichtete Arbeit an den richtigen und wichtigen Hebeln.
Aber die Zeiten, in denen ein lässiger Werbeslogan und ein charmanter Markenbotschafter ausreichten, um Verbraucherherzen für die Marke zu erobern, sind hinlänglich vorbei. Heute ist die Markenentwicklung und das dazugehörige Marketing so stark fragmentiert, dass jede Zielgrupvpe ihre eigene Insel bildet – komplett mit eigenen Sprachen, Verhaltensweisen und ungeschriebenen Gesetzen.
Und nun kommt auch noch die KI ins Spiel, die sich anschickt, die Markenwelt nicht weniger zu beeinflussen als Elon Musk den Weltraumtourismus. Generative KI ermöglicht es Inhalte zu erstellen, die derartig personalisiert sind, dass sie das Gefühl vermitteln, sie seien speziell für Sie als Konsument:in und nur für Sie (!) gemacht – wie ein Maßanzug in einer Welt von Konfektionsware.
Aber hier liegt auch die Krux: Während Personalisierung – keine Frage – absolut wichtig und wirksam ist, besteht dennoch die Gefahr, in eine Welt abzugleiten, in der Markenbotschaften derartig überpersonalisiert werden, dass sie das »Menschelnde« verlieren. Stellen Sie sich vor, Ihr Kühlschrank schickt Ihnen persönliche Liebesbriefe auf Basis Ihrer letzten Milcheinkäufe – charmant, unglaubwürdig oder doch irgendwie befremdlich?
Die Vielzahl der Medien und Botschaften hat natürlich auch dazu geführt, dass wir uns in unseren eigenen Echokammern wiederfinden, umgeben von Markenversprechen, die so zielgerichtet sind, dass sie fast schon digitales Stalking darstellen.
Wie lässt sich also in so einer galoppierenden Kommunikationsentwicklung noch ein einheitliches Markenbild aufbauen? Ein Bild, dass manchmal so fragmentarisch aufgebaut ist, dass Kunden – aber auch Mitarbeitende – nicht über das ganze Markenbild sprechen, sondern sie im besten Fall die Puzzlestücke zusammenwerfen und sich ein eigenes daraus basteln können.
Hier stehen wir also jetzt.
Im Moment im, von uns so benannten, »MeMarketing«. Der individuelle Kunde, mit seinen spezifischen Bedürfnissen und Wünschen, steht im Mittelpunkt des Marketinggeschehens.
Die Idee hinter »MeMarketing« ist, dass Marken sich immer stärker darauf konzentrieren, persönliche und relevante Botschaften zu liefern, die sich direkt an den einzelnen Kunden richten, um eine tiefere, sinnvollere Verbindung aufzubauen, anstatt generische Botschaften an ein breites Publikum zu senden (s.o.).
Bei aller Faszination und großen Versprechen von KI-gestützten Dienstleistern braucht es, unserer Meinung nach, dennoch eine Erweiterung – wir nennen es »WeMarketing«.
Das Konzept des »WeMarketings« dient als eine Form der Weiterentwicklung des MeMarketings. Während MeMarketing noch die individuellen Wünsche und Bedürfnisse des Einzelnen betont, legt das WeMarketing den Fokus auf die Gemeinschaft, geteilte Werte, kollaborative Erfahrungen etc.
Diese Verschiebung hin zu WeMarketing bedeutet, dass Marken nicht nur die Individualität ihrer Kunden ansprechen, sondern auch einen Sinn für Zugehörigkeit und Gemeinschaft fördern. Hierbei geht es darum, Menschen nicht nur als isolierte Indiviiduen, sondern als Teil eines größeren Ganzen zu sehen – sei es eine kulturelle Bewegung, eine soziale Gruppe oder ein globales Anliegen.
WeMarketing erfüllt die Sehnsucht nach einem Gemeinschaftsgefühl, nach gemeinsamen Werten und Zielen.
Hier sehen wir für Marken und Unternehmen die Aufgabe, Communities nicht als Massenbeschleuniger für die Produktrotation im Regal zu sehen – oder als Post-Katalysatoren in Social Media – sondern als unverzichtbare Markenmacher und Gestaltende des Unternehmens.
Für Unternehmen oder Marken bedeutet das: In der Zukunft zählt nicht nur, wer am individuellsten anspricht, sondern auch, wer die Gemeinschaft am stärksten vereint. Es geht darum, eine ausgeglichene Balance zwischen »Me« und »We« zu finden – eine Balance, die sowohl persönliche als auch gemeinschaftliche Bedeutung schafft und fördert. Zukünftig gewinnen Marken, die nicht nur individuelle Kundenstimmen hören, sondern auch die Identität der gesamten Gemeinschaft stärken und wertschätzen.