Teil 2
Was bringen moderne Marketingtechnologien für die Markenwerbung?
Teil 2
Was bringen Marketingtechnologien für die Markenwerbung?
Diskussionen unserer Werbeagentur zum Thema Marke, Markenführung und Werbung
BLOG / MAI 2020 / NR.1 / MARKE + TECHNOLOGIE
Aus der Reihe SMD. TALK THE LINE. Meinungen, Trends und Insights.
Als Werbeagentur aus Darmstadt bleiben wir neugierig und aufgeschlossen an unserem zentralen Thema: Was sind heute die wichtigsten Faktoren der Markenführung?
Für Eilige
Teil 2 dieser Diskussionsreihe: Was bringen modernen Marketingtechnologien für die Markenwerbung?
Teilnehmer sind Sabine Schrader und Volker Schrader von der Kreativagentur SMD aus Darmstadt und Panel-Moderator Fritz Iversen von sales-messages.
Fritz Iversen: Wenn man von digitalem Marketing redet, von Online-Marketing und Marketing-Technologien, ich glaube, dann ist es auch nicht mehr ganz klar, WOVON man da eigentlich redet. Das ist einerseits ein eigener Kosmos, andererseits gibt es überhaupt kein Marketing mehr, dass sich nicht auch auf digitale Tools und Kanäle stützt.
Hier ein Schocker-Bild – das Landschaftsgemälde der Marketing-Technologien aus dem April 2020 mit rund 8.000 Anwendungen …
Sabine Schrader: Unfassbar…!
Welche Marketing-Tools gibt es?
Fritz Iversen: Scott Brinker zählt seit Jahren alles, was er zu diesem Thema so irgendwo sieht. 2011 kam er auf 150 Beispiele, heute sollen es rund 8.000 Computeranwendungen sein, die an irgendeiner Stelle und mit irgendeiner bahnbrechenden Idee dem Marketing auf die Sprünge helfen. Rund 14% mehr als ein Jahr vorher, da ist aber auch einiges Generisches dabei, wie die Felder »Collaboration«, »Lean-Management« oder »Workflow-Apps«. Dann ist ja jedes Betriebssystem auch ein digitales Marketing-Tool. Aber soll man von digitalem Marketing reden, nur weil da irgendwelche Tools verwendet wurden?
Volker Schrader: Glücklich, wer da noch zwischen hilfreich und wenig hilfreich unterscheiden kann.
Fritz: Vielleicht ist es gar nicht so dschungelig, wie es erscheint. Ich glaube, da sind viele Konkurrenzangebote dabei, die mehr oder weniger das Gleiche tun. Bei denen ist es relativ egal, ob man nun die eine App oder die andere nimmt, z.B. für den Newsletter-Versand oder irgendwelche Umfrage-Tools.
Interessanter finde ich die Vielzahl der Felder. Es sind 50 verschiedene Bezirke … Search & Social Advertising, PR, Native Advertising bzw. Content Marketing, Sales Automation, Channel Marketing, Affiliate Marketing, Proximity Marketing, E-Commerce-Marketing, Marketing Analytics, Conversational Marketing …
Sabine: Conversational Marketing wird ein entscheidender Bereich werden: Audio-Marketing wird weiter zunehmen und die Konversation mit einem Bot betritt eine neue Ebene der Akzeptanz. Gut möglich, dass es die große Zukunft ist, ein automatisches Kundengespräch selbstverständlich mit superfreundlichen Bots zu führen.
Fritz: Bisher scheinen mir das nur Spielwiesen zu sein, um Kosten zu senken, nicht um irgendetwas qualitativ zu verbessern. Ich probiere die Dinger immer gerne aus, um zu sehen, was die schon können, und bisher bin ich immer enttäuscht. Bots können eigentlich immer nur die Intention der Fragen mit den Antworten im FAQ-Bereich abgleichen, das ist ziemlich mau.
Sabine: Heute mau ist morgen schlau. Sicherlich werden heute Bots eingeschaltet, um Personalkosten zu sparen – können aber trotzdem einen Dialog mit dem Kunden aufbauen. Und das nahezu in Echtzeit. Aber auf jeden Fall ist es für Unternehmen wichtig, sinnvolle digitale Entwicklungen im frühen Stadium zu implementieren, denn so kann man selber lernen und bei zukünftigen Entwicklungen kompetentere Entscheidungen treffen.
Dass Bots zukünftig Fragen auch interpretieren können und für uns insgesamt herausfordernder sein werden ist eine klare Sache.
Volker: Da sagst du was. Das wird sicherlich unterschätzt. Ein Unternehmen, das Audio sehr früh in seine Überlegungen und Tests mit einbezieht, wird in ein paar Jahren einen echten Vorsprung haben.
Fritz: Aber das ist nicht alles, da haben wir noch Customer Intelligence, also die Analyse der Kundendaten nach Verhaltensmustern, SEO natürlich, davon haben ja dann alle was gehört, Interactive Content, MRM, also Marketing Ressource Management, ABM ist Targeting für den B2B-Bereich, Account Based Marketing, …
Sabine: Irgendwie beruhigend.
Fritz: Bitte?
Sabine: Bei dieser unglaublichen Menge, kann sich doch jeder Unternehmer und Marketingexperte den erdrückenden Rucksack ablegen, über ALLE technischen Entwicklungen und Tools bestens informiert sein zu müssen bzw. zu wollen.
Volker: Stimmt. Es ist wirklich eine Frage der eigenen Ziele, die bestimmend sind.
Danach kann man dann »gezielt« nach den Mitteln und Ressourcen suchen, auf die es ankommt. Aber auch ein Innovation Manager kann in Zukunft eine bedeutendere Rolle spielen, als es heute in den meisten Unternehmen der Fall ist.
Fritz: Der digitale Ozean schwappt eben auch ums Marketing herum, aber meine Frage ist: Heißt Digitales Marketing irgendwelche Tools zu benutzen oder heißt es, das Marketing zentriert auf digitale Sales-Prozesse zu denken? Oder heißt es einfach Online-Marketing? Was meint ihr?
Wie ist die Definition von Online-Werbung?
Volker: Moment, da müssen wir doch mal versuchen, die Begriffe zu definieren. Online-Werbung ist klar. Online-Werbung definiert sich im Grunde einfach als der Teil des Werbebudgets, der online ausgegeben wird. Werbung im Internet, auf dem PC-Screen, auf dem Tablet oder auf dem Handy. Von Blog-Werbung bis Suchmaschinenwerbung, SEA und SEO, Social Media Werbung, YouTube-Werbung und E-Mail-Marketing, also der ganze riesige Kosmos an Online-Werbemitteln.
Sabine: Statista hat einige gute Daten dazu. Die Ausgaben für Onlinewerbung, zum Beispiel, haben sich in 15 Jahren glatt verzehnfacht. Die Branche kennt seit 15 Jahren keine Krise. Und das kann ja nicht nur eine Mode sein, wenn der Return-on-Investment letztlich so klar kontrollierbar ist.
Fritz: Ist er das wirklich oder nur scheinbar?
Volker: Na ja, ich kann mal auf die Kundenakquise-Kosten schauen, CAC (Customer Acquisition Cost). Gesamtkosten für Vertrieb und Marketing, geteilt durch die gewonnenen Kunden. Das ist doch ein einfacher, aber belastbarer Indikator, oder nicht?
Sabine: Ganz so sehe ich das nicht. CAC ist ja sehr grob und hat analytisch gesehen wenig Wert. Viele Produktmanager müssen doch weit mehr in die Tiefe gehen, welche Ausgaben also tatsächlich zu einer Kaufentscheidung beigetragen haben und welche nicht.
Ob Banner und Ads zum Beispiel überhaupt damit etwas zu tun haben oder ob die Entscheidung sich ganz woanders angebahnt hat? Und der Banner, der dann geklickt wurde, war doch eher zufällig und ein eigener Reminder, »Ach, ich wollte ja noch diese Sneakers kaufen«. Vielleicht hätte ich diese Schuhe auch ohne 10%-Angebot gekauft, aber wenn es den Rabatt noch obendrauf gibt, dann bitte gerne. Die Anbieter verschenken in diesem Fall Umsatz, denken aber, ihr Rabatt-Code-Angebot wäre der große Bringer.
Fritz: Wäre das für die Marke sogar eine Beschädigung, weil die Preissouveränität sinkt?
Sabine: Bei höheren Rabatten auf jeden Fall. Da steigen die Umsätze und das Markenvertrauen geht in die Binsen.
Volker: Aber kommt es nicht auch immer darauf an, wie solche Werbepromotions und Gutschein-Aktionen designt sind? Welche Botschaft transportiert werden soll? Eine originelle Preispromotion, vielleicht witzig und/oder schlau gemacht, kann zum emotionalen Markenkern passen und ihn stärken.
Markenführung im Bereich der Online-Werbung kann aber auch tückisch sein. Ruckzuck bist du in der Gefahr, dich total den Suchmaschinen-Optimierern und Konversions-Optimierern hinzugeben. Für Marken ist Online-Werbung eine Chance, ganz klar, aber eben auch schwierig oder gefährlich, wenn sie es falsch machen und sämtliche Image-Dimensionen vergessen.
Fritz: Okay, und wie definiert ihr digitale Werbung? Ist das das Gleiche wie Online-Werbung?
Wie ist die Definition von Digitaler Werbung?
Sabine: Digitale Werbung ist natürlich mehr als nur Online-Werbung. Dazu gehört zum Beispiel auch Digital Out-of-Home. Digitale Citylights sind ein wachsendes Thema – also alle Screens, die nicht Handy-Screens oder PC-Monitore sind. Im Digital OoH laufen 10-Sekunden-Spots, Digitalplakate, Bannerwerbung, Fotoclips. Diese Out-of-Home-Screens nehmen gerade explosionsartig zu: In öffentlichen Verkehrsmitteln, Bahnstationen, Flughäfen und so weiter …
Fritz: Ach ja, die Screens in Bahnhöfen und die digitalen Citylight-Poster sind sogar das Werbemedium mit dem größten Wachstum.
Sabine: Ja, vor allem seit sie programmatisch buchbar sind!
Fritz: Die Screenwerbung kann nach Tageszeit, Wochentag, Wetter und so weiter gesteuert werden. In U-Bahnen auch in Bezug auf die nächste Station. Wenn zum Beispiel in einer Minute die Station kommt, wo oben ein McDonald’s ist, und es ist 17 Uhr und die Bahn ist voll mit Leuten, die von der Arbeit kommen, dann ist es kein reiner Zufall, wenn du genau in dieser Minute vor genau dieser Station die McDonald-Werbung siehst.
Sabine: Klingt ein bisschen wie die Rede von Edmund Stoiber… (lacht) … aber ja, auf jeden Fall eine sehr interessante Entwicklung, die längst noch nicht abgeschlossen ist.
Volker: Auch VR-Advertising wird in den nächsten Jahren enorm wachsen. Es gehört zur Digitalen Werbung, auch wenn es noch irgendwie »nischig« daher kommt. VR hat großes Potential, wenn aus dem singulären Erlebnis ein Gemeinschaftserlebnis wird. In Form von digitalen Markenerlebnissen oder auch als Werbung. Digitale Werbung beinhaltet Online-Werbung.
Fritz: Okay, das lässt sich also schon mal einigermaßen definieren. Digitale Werbung umfasst mehr digitale Kanäle und Platzierungen als nur Online-Werbung. Aber jetzt kommen wir mal auf den Punkt Digital-Marketing.
Wie ist die Definition von Digitalem Marketing?
Fritz: Digitales Marketing kann ja nicht einfach heißen, ein paar Tools und ein paar Online-Channels so einzusetzen, wie man früher TV und Zeitschriften gebucht hat. Das wäre ein wenig zu einfach. Wie seht ihr das?
Sabine: Digitales Marketing, finde ich einen ziemlich dehnbaren Begriff. Das kann so vieles heißen. Nur eine Facebook-Kampagne machen, das ist noch kein digitales Marketing. Beim Begriff Marketing erwarte ich schon mal mehr Struktur in den Maßnahmen. Platt gesagt, mehr Werbestrategie.
Fritz: Ich würde noch weitergehen. Ich würde sagen: Digitales Marketing ist Marketing unter den Bedingungen der Digitalisierung. Und ich meine: Digitalisierung verändert das ganze Marketing als Denkform. Die Geschäftsmodelle werden insgesamt digitaler.
Volker: Vorsicht, jetzt wird’s philosophisch. »Marketing als Denkform« hilft nicht weiter.
Fritz: Okay, ich meine Folgendes und das ist relativ konkret: Klassisches Marketing war wie Rundfunk. Es war One-to-Many-Kommunikation. Die Marke versendete Markenbotschaften, die Verbraucher waren die Empfänger, und der ganze Sales-Prozess war davon getrennt, beziehungsweise fand dazu noch ein bisschen Below-the-Line-Werbung statt. Auch digitale Werbemittel kannst du so handhaben. Digitales Marketing versteht aber, dass die Beziehungen zwischen Marken und Verbrauchern in der digitalen Welt interaktiv sind. Sie sind auch viel individueller, spontaner, flexibler. Und obendrein sind die Verbraucher auch untereinander vernetzt und reden über die Marken.
Sabine: Ok, dem würde ich soweit zustimmen. Digitales Marketing heißt, die digitale Welt wirklich ernst zu nehmen. Von der ganzen Vernetzung bis hin zu den Feedback-Schleifen. Und dann sieht man, dass die Gestaltung des Kundendialogs, ganz banal wie zum Beispiel ein Newsletter, unter Umständen für den Markenaufbau wichtiger ist als eine rein optisch gut designte Banneranzeige. Zum Markenerlebnis gehören heute immer auch die Interaktionen. Die Usability der Website ist eben auch ein Markenthema: Dort kann sowohl Freude als auch Frustration entstehen.
Fritz: Die Marken stellen ja ihre Produkte nicht mehr irgendwo in die Ladenregale und müssen dann nur noch über TV und Anzeigen versuchen, Bekanntheit und Awareness zu schaffen und den Verkauf etwas anzukurbeln.
Volker: Alles richtig. Mir ist das aber jetzt doch eine Nummer zu weit weg vom Kern. Digitales Marketing heißt doch zunächst einmal datenbasiertes Marketing. Oder Performance-Marketing. Hier wird getrackt, da werden Kundendaten gesammelt und ausgewertet, dort wird täglich oder sogar stündlich der Erfolg gemessen. Ich fürchte, die Performance-Marketing-Fans haben eher ein enges Verständnis von digitalem Marketing. Oder besser gesagt, sie verstehen digitales Marketing eher bodenständig – als die Dinge, die man digital heute so macht. Und diese Sichtweise ist vorherrschend.
Fritz: Klar, es gibt jede Menge Performance-Marketing-Agenturen. Die machen die Standards: SEO, SEA, Social Media Ads, Conversion-Optimierung, Content-Marketing und dazu dann noch das Reporting. Damit bekommst du aber noch keine Markensteuerung in der digitalen Welt gebaut.
Volker: Ja, aber Unternehmen, die ihr Marketing heute immer noch nicht auf Daten stützen, und wissen, wie sie mit Hilfe von Daten mehr Kundenbezug in ihre Kommunikation hineinbringen, denen wird mit klassischer Markenwerbung nicht mehr viel geholfen sein. Insgesamt darf halt nicht fehlen, was Sabine gerade so schön sagte: Struktur und Strategie.
Fritz: Dieses durch Tools geleitete Marketing, dieses Performance-Hamsterrad, das ist nicht nachhaltig. Vielleicht ist es die Basis von digitalem Marketing, aber es ist nicht die Spitze.
Sabine: Ja, so sehen wir das auch. Für SMD heißt Marketing nicht nur Absatz von Produkten, sondern auch eine Marke stärken, aufbauen, profilieren und bekannter machen. Und das ist – ausschließlich mit traditioneller Werbung – nicht zu schaffen. Wir stehen da ziemlich genau an der Verbindungsstelle von klassischer Markenpflege und modernem digitalem Marketing.
Fritz: Ist Kundennähe das, was die Werbung vom Vertrieb lernen muss, damit aus digitalen Marketing-Tools und Tricks echtes digitales Marketing wird?
Volker: Ob man das vom Vertrieb lernen muss, weiß ich nicht. Aber Kundenähe und tiefes Kundenverständnis ist sicherlich der Schlüsselbaustein für Online-Werbung und Online-Marken. Insofern ist die ganze Technologieorientierung nur so viel wert, wie sie am Ende menschenorientiert ist.
Sabine: Ja, die Flexibilität, die Marken im Internet haben, müssen sie nutzen, um auf Menschen einzugehen. Menschen finden es gut, dass eine Marke ein soziales Gesicht hat, sich auf dieser Erde verantwortungsvoll verhält. Wer aus den wunderbaren Interaktionsmöglichkeiten, aus der Lebendigkeit der digitalen Welt nicht mehr machen will als eine Verkaufsmaschine, dem können wir nicht viel bieten. Unternehmen, die eine moderne, beliebte und geliebte Marke sein wollen, denen können wir helfen.
Fritz: Ich wollte eigentlich noch über den digitalen Darwinismus reden, der durch die Tools ausgelöst wird, aber ich lass das jetzt mal stecken. Das waren jetzt tolle Schlussworte für heute. Ich hätte mich ja gerne mal mit euch richtig gefetzt, aber ich kann da leider nur zustimmen.
Diskussionen unserer Werbeagentur zum Thema Marke, Markenführung und Werbung,